AUSSTELLUNG

Zwischenfälle

Text: Katarzyna Uszynska


Es sind nüchterne Stadtlandschaften, menschenleere Schauplätze, die den filmischen Blick des Filmemachers und Medienkünstlers Dariusz Kowalski auf sich ziehen. Dabei arbeitet Kowalski mit latenten Bildern der Beobachtung, mit denen er an die Kontrollästhetik von Überwachungssystemen erinnert. Sein Thema ist dabei die Inflation und Instrumentalisierung von Bildern – Bilder als Werkzeuge institutionalisierter Kontrolle und die zunehmende menschliche Orientierungslosigkeit im stetig sich beschleunigenden Bildfluss.
So sehr ihn der Diskurs über das Verhältnis von Bild, Kontrolle und Macht, der an Foucaults “Überwachen und Strafen” denken lässt, sowie über den Verlust von Identität in einer von Bildern überwuchernden Realität interessiert, so sehr sind Dariusz Kowalskis Bilder jedoch von künstlerischen Ambivalenz und manchmal geradezu impressionistisch-romantischen Schönheit beseelt.
In seinem medienkritischen filmischen Werk greift er auf die künstlerischen Mittel der Beschleunigung, Repetition und des Loop zurück. So oszillieren in seinen Filmen die Bilder zwischen Stillstand und Unruhe. Echtzeit, Zeitraffung und Zeitverlangsamung bestimmen die Dramaturgie der Filme und verleihen so ein Gefühl der Verunsicherung und Ohnmacht. Sie führen in eine eigenartig bekannte und gleichzeitig unbekannte irreale Welt fern von Individualität und Zugehörigkeit.
Es sind Zonen des Übergangs und der Bewegung: Flughafenhallen Supermärkte, Straßenzüge. Orte, die einander austauschbar ähnlich wirken, ja geradezu emblematisch die Einsamkeit und Verlorenheit des postmodernen Lebens bezeichnen. Orte der existenziellen Unbehaustheit, wie dies Heidegger einmal nannte. Gleichwohl enthalten Kowalskis Bilder poetische Momente von Melancholie und Symphonie für eine Welt, in der Menschen für ihre Individualität und Selbstachtung kämpfen. Menschen auf der Suche nach dem verlorenen Ich.
In seinen unter einem gemeinsamen Titel entstandenen Arbeiten “Zwischenfälle” zeigt Kowalski im Neuen Kunstverein Wien zwei Videoarbeiten und Fotoprints. Die Doppelprojektion erzählt von den Überwachungsaufnahmen des polnischen Geheimdienstes in den 80er Jahren. Aufnahmen, die über mehrere Jahre lang von der Straße in Nowa Huta in Polen gemacht wurden, in der der Arbeiter Bogdan Wlosik vom Geheimdienst selbst ermordet wurde. Die Projektion wird aus der Zusammensetzung von Bild und Text zum privaten Kommentar auf das Absurde des kommunistischen Kontrollsystems. Die weitere Videoarbeit ist eine Fotomontage, in der Kowalski das private und öffentliche Leben verbindet, indem er Fotografien aus seinem persönlich-privaten Fotoarchiv und einem Archiv eines Fremden kombiniert.



Neuer Kunstverein Wien

Grammatik der Überwachung

Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2012

Dariusz Kowalski analysiert in den Arbeiten der Ausstellung “Zwischenfälle” die Sprache des Überwachungsapparats: eine Reise in die Vergangenheit seiner Heimatstadt Nowa Huta.
Wien – Die eigenen an den historischen Spuren messen: So beschreibt Dariusz Kowalski seine Motivation für den Dokumentarfilm Richtung Nowa Huta. Für den Film, der heuer bei der DiagonalePremiere feiert, kehrte der in Wien lebende Künstler (geb. 1971) und Filmemacher nach 20 Jahren in seine Heimatstadt Nowa Huta zurück. Die “Neue Hütte” entstand 1949 als erste sozialistische Stadt in Polen für die Arbeiter eines Eisenhüttenkombinats nahe Krakau. Ähnlich wie Thomas Heise, der 1992 in Eisenzeit das deutsche Äquivalent Eisenhüttenstadt porträtierte, unternimmt auch Kowalski eine Rückreise, die biografischen Erinnerungen folgt.
Die umfassenden Recherchen – etwa im IPN, einem Institut zur Dokumentation kommunistischer Verbrechen – mündeten aber auch in andere künstlerische Arbeiten: Die jüngsten zeigt er nun unter dem Titel Zwischenfälle im Neuen Kunstverein Wien. Zentral sind darin Aufnahmen des Sicherheitsdienstes, die am 13. Oktober 1985 entstanden, dem zweiten Todestag von Bogdan Wlosik, einem von einem Geheimagenten ermordeten jungen Arbeiter. Und wie so oft kam es auch an diesem Tag zu Ausschreitungen zwischen zivilen Sicherheitsleuten und den Menschen, die sich hier nach den Gottesdiensten häufig zu Kundgebungen versammelten – vor der einzigen Kirche der ursprünglich religionsfrei geplanten Stadt.
Kein außergewöhnliches historisches Ereignis, sondern ein sich wiederholender
Akt des Widerstands steht im Fokus. So sind auch für Kowalski weniger die dokumentarischen Bilder von Interesse als vielmehr die alltägliche Rede der Überwacher. Das Transkript des Originaltons hat er als unabhängigen Loop über
die Bilder gelegt, und er steigert so die Bild-Text-Schere ins Extreme: “Haben Sie
die Flugblätter drauf?”, fragt die Frau im Off den Kameramann zu Prügelbildern.
Es ist die absurde Grammatik des Überwachens, die er sichtbar macht.
Mehrfach hat Kowalski bereits die Perspektive des Überwachens untersucht:
in Interrogation Room (2009) den voyeuristischen Blick in einen Verhörraum,
in Elements (2006) die automatisierten Bilder aus Wetter- und Verkehrskameras.
Von derselben Überzeugungskraft ist eine zweite Arbeit: In einer Splitscreen-Projektion führt Kowalski das Scheitern, aus privater Erinnerung und historischen Bildern ein stimmiges Narrativ zu bilden, formal anspruchsvoll vor. 

Bild aus Dariusz Kowalskis “Zwischenfälle” (2011).

Fotografie © Neuer Kunstverein Wien

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